Wem schwirrt nicht regelmäßig ein Abzählreim aus der Kindheit im Kopf herum? Wer verbindet nicht automatisch ein Ereignis oder einen bestimmten Zeitraum mit einem Lied, das damals in Mode war? Ein paar Noten, Wörter, eine Stimmung, Erinnerungen … Ob man nun eingefleischter Musikliebhaber oder nur bedingt für Rhythmus empfänglich ist, die Musik ist eng mit unserer Entwicklung verknüpft. Sie nistet sich in unserem Gedächtnis ein, stimuliert unsere Erinnerungen, weckt unsere Emotionen.
Mehr als die berühmte Madeleine von Proust, gilt Musik heute als regelrechte Therapie, besonders bei Erkrankungen, die mit einer Störung der Psyche einhergehen, vorausgesetzt, man beherrscht die entsprechenden Zugangscodes. Stéphane Barranco, der 2011 als Erzieher bei Elysis anfing, hat verstanden, wie förderlich Musik in einem Pflegeheim sein kann. Mit der Unterstützung der Geschäftsleitung ließ er sich in Nantes zum Musiktherapeuten ausbilden und stellt sein Talent heute in den Dienst sämtlicher Heimbewohner.
Musikalische Begleitung
„Ich befasse mich mit allem, was im Elysis etwas mit Akustik zu tun hat, erklärt Stéphane Barranco. Ich habe demnach eine dreifache Aufgabe: die Ausübung meines Fachs im engeren Sinne, die Veranstaltung von Events (Animationen, Konzerte, Tanzveranstaltungen am Nachmittag usw.) und die Auswahl der Musik, die in den Zimmern oder den Gemeinschaftsbereichen zu hören ist.“
In seinem Berufsleben hat Stéphane Barranco schon oft Musik eingesetzt. Bereits im Alter von 9 Jahren wurde er in die Notenlehre eingeführt, hatte Gitarren- und Klavierunterricht. Im Laufe seines weiteren Lernprozesses als Amateurmusiker hat er schließlich die Noten mit seinem Beruf als Erzieher verknüpft. „Als Musiker war ich in Schulen, in der Pädiatrie und in Krankenhäusern tätig. Als ich im Elysis anfing, mit älteren Menschen zu arbeiten, war ich froh, dass ich diesen Weg weitergehen und in eine Gruppe eintreten konnte, die bereits musikalische Begleitung praktizierte.“
2014 beginnt er seine Ausbildung im Institut für Musiktherapie in Nantes: „Ich habe mich für dieses Institut entschieden, weil es eine in Frankreich und in Europa anerkannte Ausbildung anbietet. Es handelt sich um einen Universitätsabschluss auf Master-Niveau, wobei man drei Jahre lang alle zwei Monate eine Woche Unterricht hat und eine Reihe von Praktika absolvieren muss. Man muss nicht unbedingt Musiker sein, um daran teilzunehmen, ich finde es dennoch sinnvoll. Neben den musikalischen Techniken vermittelt der Studiengang auch Kenntnisse, die von der akustischen Kommunikation über Psychologie bis hin zu Neurologie und Kognition reichen.“
Musik für ein besseres Gleichgewicht
„Ich bin Mitglied der Gesellschaft für Musiktherapie in Luxemburg (GML). Wir definieren die Musiktherapie als „den gezielten Einsatz von Musik zur Entwicklung und Wiederherstellung des physischen, psychischen und emotionalen Gleichgewichts des Menschen. Musik beeinflusst die Lebensqualität, insofern sie die Ressourcen und Potenziale des Menschen mobilisiert und so bei der Vorsorge, Rehabilitierung und Unterstützung des Heilungsprozesses mitwirkt.“ Wir sprechen hier tatsächlich von einer Therapie: Das Ziel besteht eindeutig darin, Symptome zu verringern, und nicht symbolische Linderung zu verschaffen.“
„Musik beansprucht sehr viele Teile des Gehirns, erklärt Stéphane Barranco. Bei Patienten mit neurodegenerativen Erkrankungen gelingt es uns, die funktionierenden Bereiche zu stimulieren. Das hilft, die Person aufzuwerten und ihr ein gewisses Selbstvertrauen zurückzugeben. Musik hat nachweislich eine stressmindernde Wirkung. Musikhören kann sich sogar positiv auf das Schmerzempfinden auswirken.“
Eine regelrechte Technik
Er betont jedoch: „Musik heilt jedoch nicht durch Magie, es ist vielmehr die vom Therapeuten eingesetzte Technik, die diese Wirkung erzeugt. Musiktherapie kann rezeptiv sein, wenn man Musik hört, oder aktiv, wenn der Beteiligte aufgefordert wird, mitzumachen, den Rhythmus vorzugeben, zu singen … In der Altenpflege spielt der Begriff Spaß eine große Rolle. Unsere Aufgabe ist es, nach den richtigen Maßgaben einzugreifen, die Person bewusst zu fordern.“ In diesem Zusammenhang sind die Erfahrungen der einzelnen Person von entscheidender Bedeutung: was sie in ihrer Kindheit gehört hat, ihre Vorlieben, was sie ablehnt. Das muss man mit dem Patienten, oder dessen Familie, erarbeiten. In dem individuellen Lebensprojekt, das für jeden Bewohner erstellt wird, spielt die Musik eine wichtige Rolle. „Wie ein Lied aufgenommen wird, das kann von Mensch zu Mensch sehr unterschiedlich sein, berichtet Stéphane Barranco. „ Kanner, ô Kanner, ô quel malheur!“, dieses wohlbekannte Lied kann von einigen geliebt werden, während es bei anderen durchaus negative Empfindungen auslöst.
Emotion und Kommunikation
Auf der Hitparade des Elysis stehen heute Titel wie „De Feierwon“, „D’Pierle vum Da“ und „Mexiko“… Der Musiktherapeut aus Lothringen musste sein musikalisches Repertoire entsprechend erweitern, um sich anzupassen und bei den Bewohnern „Anklang“ zu finden. „Ich setze auch viel klassische Musik ein, die bei den Bewohnern sehr beliebt ist. Es ist ein sehr konstruiertes Genre, das oft physikalischen Regeln folgt, die sowohl strukturieren als auch beruhigen können.“ 2017 erhält er dafür seine wohlverdiente Anerkennung: Er gewann den vom Familienministerium veranstalteten Wettbewerb für Palliativpflege.
„Für mich hat die Musik viele positive Eigenschaften, die die Arbeit mit älteren Menschen ermöglichen: Sie ist verspielt und intim, aber auch eindringlich, emotional und vereinnahmend. Sie fördert non-verbale Kommunikation. Die beiden Schlüsselwörter unserer Disziplin sind Emotion und Kommunikation.“
Musik ist unbestreitbar mit dem emotionalen Gedächtnis verbunden, das letzte, das verschwindet, wenn unser Gehirn Erinnerungen löscht. „Ich habe viel Musik in der Palliativpflege gemacht, erzählt Stéphane Barranco. Wenn ich mit den Familien zusammen in einem Raum Musik mache, werden die Emotionen wirklich freigesetzt.“
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